Warum werden ältere Mitarbeiter in der Personalpolitik nicht ausreichend berücksichtigt?
Veröffentlicht am 17.10.2024 von Marcel Penn, Marketing- und Verkaufsleiter Classifieds - Bildquelle: Getty Images
Noch immer fokussieren sich Unternehmen und Personalabteilungen vorwiegend auf junge Mitarbeiter. Tatsächlich steht die gegenwärtige Personalpolitik weitgehend im Widerspruch zu den aktuellen Herausforderungen, und so wird diesem Jugendwahn in wenigen Jahren zwangsläufig ein Ende gesetzt. Grund sind demografische Veränderungen sowie die Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften. Spätestens dann wird die bisherige Ausgrenzung älterer Mitarbeiter durch Integrationsbemühungen ersetzt werden müssen. Diese Entwicklung geht in die richtige Richtung und ist für Unternehmen ein Gewinn.
Das vorherrschende Bild von der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer
Personalabteilungen und Unternehmer begründen ihre Jugendorientierung damit, dass junge Arbeitskräfte jung, fit, gesund, flexibel, mobil und dynamisch sind. Dem stehen ältere Mitarbeiter gegenüber, denen Abbau von geistigen und körperlichen Kräften, Verfall, Gebrechlichkeit und häufiges Kranksein zugeschrieben wird.
Positive Werte, beispielsweise Lebenserfahrung, Souveränität und fachliche Kompetenz fallen gänzlich unter den Tisch. Negative Zuschreibungsmuster überwiegen, was im Wesentlichen auf das Defizit-Modell zurückgeht - ein Modell, das bereits Anfang 1990 verworfen und vom Kompensations-Modell abgelöst wurde.
1. Defizit-Modell
Das Defizit-Modell basiert auf einer einseitig negativen Betrachtungsweise des Alters und des Alterungsprozesses. Altern und Alter wird gleichgesetzt mit 0dem Verfall von Qualifikation sowie von geistiger und körperlicher Leistungen. Dieses Modell unterstellt allen Menschen dieselbe Altersentwicklung und geht insoweit von der Annahme aus, dass alle Menschen in gleicher Weise altern. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das Fehlende. Individuelle Unterschiede bleiben unberücksichtigt.
2. Kompensations-Modell
Mit dem Kompensations-Modell hat die jüngere gerontologische Forschung schon lange eine Kehrtwende vollzogen. Der Prozess des Alterns und das Alter werden differenziert betrachtet, auch indem möglichen Defiziten mögliche Potenziale gegenübergestellt werden. Gegenüber dem Defizit-Modell fand ein Perspektivenwechsel statt, in dessen Fokus auch der Wandel von Fähigkeiten im Alter steht. Diesbezüglich wird differenziert zwischen diesen Fähigkeiten:
- Abnehmende Fähigkeiten: Mit zunehmendem Alter nehmen unter anderem ab die Muskelkraft, das Sehvermögen, die Reaktionsgeschwindigkeit, die Merkfähigkeit im Kurzzeitgedächtnis und das Hörvermögen.
- Stabil bleibende Fähigkeiten: Eher unverändert bleiben beispielsweise die Sprachkompetenz, die Merkfähigkeit im Langzeitgedächtnis, die Fähigkeit zur Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung sowie die Bearbeitung sprach- und wissensgebundener Aufgaben.
- Zunehmende Fähigkeiten: Es gibt aber auch Fähigkeiten, die sich mit zunehmendem Alter erst ausbilden, zum Beispiel die Persönlichkeitsentwicklung, die Lebens- und Berufserfahrung, Gelassenheit, berufliche Routine, Souveränität sowie die Fähigkeit, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und eigene Grenzen realistisch einzuschätzen.
Darüber hinaus differenziert dieses Modell zwischen den Individuen, weist auf die Unterschiede im Alterungsprozess sowie in der körperlichen und kognitiven Entwicklung hin. Insgesamt können nach dem Kompensations-Modell altersbedingte Leistungseinbussen durch spezifische Leistungsvorteile ausgeglichen und als Ressource im Arbeitsleben eingesetzt werden.
Fazit
Um den erforderlichen Fachkräftebedarf heute und auch in Zukunft zu sichern, werden Unternehmen sich gegenüber älteren Mitarbeitern öffnen müssen. Das beginnt mit den Stellenanzeigen, in denen auf Andeutungen bezüglich des gewünschten Alters eines Bewerbers verzichtet werden sollte. Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung sowie die Arbeitszeiten sollten auch auf die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer ausgerichtet werden. Wer die Rahmenbedingungen des Lernens anpasst und Laufbahnmöglichkeiten auch für Ältere schafft, wird auch in Zukunft die Arbeitsfähigkeit seines Unternehmens sicherstellen.